- Karolingisches Reich unter Karl dem Großen
- Karolingisches Reich unter Karl dem GroßenNach dem Tode seines Vaters Pippin (768), des Hausmeiers und späteren Königs der Franken, musste sich Karl zunächst mit seinem jüngeren Bruder Karlmann die Herrschaft teilen. Doch bereits 771 starb Karlmann, und Karl konnte vom gesamten Reich Besitz ergreifen, während die Witwe Karlmanns mit ihren beiden Söhnen zum Langobardenkönig Desiderius floh. Erst jetzt, als Desiderius den Kirchenstaat angriff und vom Papst die Königssalbung der Söhne Karlmanns verlangte, ließ sich Karl durch ein Hilfeersuchen Papst Hadrians I. dazu bewegen, militärisch in Italien einzugreifen, was dazu führte, dass Desiderius in ein Kloster verbannt wurde und Karl selbst die Königswürde im langobardischen Reich übernahm (774).Weniger erfolgreich war Karls Intervention gegen die Herrschaft des Emirs von Córdoba in Spanien. Das Heer erlitt auf dem Rückweg in den Pyrenäen im Kampf mit den Basken schwere Verluste, die später im altfranzösischen Rolandslied als heldenhafter Kampf der Nachhut unter Roland gegen eine sarazenische Übermacht bei Roncevalles (Roncevaux) verklärt wurden. Immerhin gelang es in der Folgezeit, die Reichsgrenze bis Barcelona (801) vorzuschieben.Bereits eine gewisse Tradition hatten die Kämpfe gegen die Sachsen, die Karl 773 aufnahm. Um sein Ziel der Unterwerfung und Christianisierung zu erreichen, ordnete Karl Zwangstaufen an und schreckte auch vor drakonischen Strafen nicht zurück. Erst als Widukind sich 785 taufen ließ, rückte das Ende der Kämpfe näher, sodass Karl daran gehen konnte, mit dem Aufbau einer Kirchenorganisation (Gründung von Bistümern) die Christianisierung des Landes zu stabilisieren.788 wurde das Herzogtum Bayern, das gegenüber der fränkischen Zentralgewalt weitgehende Unabhängigkeit demonstrierte, wieder fest in den Reichsverband eingegliedert. Von dort aus gelang es Karl endlich, auch das Steppenvolk der Awaren, das in der Theißebene eine weiträumige Herrschaft errichtet hatte, zur Anerkennung der fränkischen Oberhoheit zu zwingen.Papst Leo III. krönte Karl als den mächtigsten Herrscher der damaligen christlichen Welt am Weihnachtstag des Jahres 800 zum Römischen Kaiser, obwohl Karl selbst zunächst nur widerwillig die Zeremonie und wohl vor allem die Rolle, die Papst und Stadtrömer dabei spielten, geduldet haben soll. Wenn das Kaisertum Karls auch nicht nur als Wiedererrichtung des westlichen Teilkaiserreiches gedacht war, sondern offen mit dem byzantinischen Kaiseranspruch in Konkurrenz trat, wurde Karl dennoch nach langen Verhandlungen im Jahre 812 von Byzanz als Kaiser anerkannt.Im Innern seines Reiches festigte Karl seine Herrschaft, indem er die Grenzen durch die Einrichtung von Marken sicherte und die Amtsführung der Grafen, die in seinem Auftrag in den Grafschaften militärische, richterliche und die Ordnung aufrechterhaltende Funktionen ausübten, durch besondere Königsboten überwachen ließ. Außerdem bediente er sich einer umfassenden Gesetzgebung in der Form von »Kapitularien«, in denen er zahlreiche geistliche und weltliche Angelegenheiten zum Teil bis ins Kleinste regeln ließ.Karl, den bereits Zeitgenossen als den »Großen« bezeichneten, war nicht nur an militärischer Expansion und Verwaltung interessiert; indem er die bedeutendsten Gelehrten an seinem Hof versammelte und die Einrichtung von Schulen förderte, schuf er die Voraussetzungen für eine neue kulturelle Blütezeit, die man - weil sie an das geistige Erbe der Antike anzuknüpfen versuchte - »karolingische Renaissance« genannt hat.
Universal-Lexikon. 2012.